Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
die AfD-Stadtratsfraktion stellt folgenden Ergänzungsantrag:
Es wird eine unabhängige und externe Kommission von Experten gebildet, die sich aus Historikern,
Kunsthistorikern und Politologen zusammensetzt. Ihre Aufgabe ist es, unter Einbindung betroffener
Anwohner (u.a. mittels Bürgerbefragung) die zur Debatte stehenden Persönlichkeiten historisch
einzuordnen. Dies kann nur durch eine umfassende Würdigung der Lebensleistung geschehen, für
die die Namensgeber die Ehrung einer Straßenbenennung erhielten. Bei regional bekannten
Persönlichkeiten sind ihr Bezug zu Ingolstadt und ihre Bedeutung für die regionale Identität zu
erläutern. Die Ergebnisse werden zusammen mit den Mitgliedern aller Bezirksausschüsse und des
Stadtrats erörtert. Anschließend fasst der Stadtrat einen Beschluss, auf welche Weise die zur Debatte
stehenden Straßennamen ggf. in Zukunft erläutert werden.
Begründung:
Die Benennung von Straßennamen und die Auswahl der Namensgeber erfolgen immer im Kontext
des jeweiligen Zeitgeistes. Die Namen wirken im Rückblick oft befremdlich und sind mit zeitlichem
Abstand zunehmend erklärungsbedürftig.
Die Geschichte zeigt, dass nach dem Wechsel eines Herrschaftssystems oftmals die vorgenommenen
Straßenbenennungen als Zeichen und Mittel der Identitäts- und Geschichtspolitik von neuen
Machthabern revidiert werden. Neue Namensträger sind dann ihrerseits wieder ein Symbol für die
zum Zeitpunkt der Benennung aktuelle Wertung einer Epoche und der dadurch geehrten
Persönlichkeiten. Zugleich ist eine solche Umbenennung, die zumeist im Anschluss an bzw. durch
totalitäre Herrschaftsstrukturen ihrerseits ein Zeichen der Zeit, in der die Straßenumbenennung
erfolgte.
Auch die gegenwärtige Diskussion über die Umbenennungen von Straßen, welche aus der
Perspektive einiger gesellschaftlicher Gruppen nach fragwürdigen Persönlichkeiten benannt sind,
wird unter den Vorzeichen einer angestrebten politischen und gesellschaftlichen Umordnung
geführt. Es steht fest, dass Straßennamen immer Bestandteil einer umfassenden Identitätspolitik
sind. Die aktuellen Versuche, Straßen und Plätze umzubenennen, nachdem ihre Namensgebung in
den Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg, also in einer Blütezeit der Demokratie in
Deutschland, keinen Anstoß erregt haben, ist daher möglicherweise als Ansinnen zu verstehen, die
bisherige bürgerliche Memorialkultur und Identitätspolitik in Misskredit zu bringen und durch eine
linksgerichtete, sozialistische Sichtweise der Geschichte zu ersetzen.
In Ingolstadt zeigt sich die Einseitigkeit der von link-sozialistischen Gruppen angestoßenen
Diskussion daran, dass Persönlichkeiten, die Bezüge zum Kommunismus und Stalinismus haben,
nicht als „umstritten“ gelten. Sowohl nach Marieluise Fleißer als auch nach Bertolt Brecht sind in
Ingolstadt Straßen benannt. Dies ist nach Ansicht der Antragssteller zu Recht der Fall. Beide waren
bedeutende Autoren und haben im Fall von Marieluise Fleißer einen lokalen Bezug. Dennoch ist
Brechts Unterstützung des DDR-Stalinismus wichtig für die politische Einordnung seiner Stücke.
Das schmälert jedoch nicht seine Bedeutung für die deutsche Kultur. Mit Marieluise Fleißer kann
man mit Blick auf die zur Diskussion stehenden Persönlichkeiten festhalten: „Wenn man sucht,
findet man immer was.“
Die Umbenennung von Straßen hat nicht nur Auswirkungen auf die Sicht auf die eigene Geschichte
und Kultur: Jede Namensänderung zwingt die Anrainer zu Investitionen, weil z.B. Briefpapier,
Visitenkarten, Internetauftritte, Schilder etc. geändert werden müssen. Der durch die Stadt
ausgelöste Zeitaufwand durch die Adressänderung ist immens und kaum zu beziffern.
Auch für Verwaltungen und Dienstleister ist ein erheblicher Aufwand zu erwarten.
Der neu gegründete Konsolidierungsrat muss aus Kostengründen mit in das Antragsverfahren V
0273/21 einbezogen werden.
Nach Vorliegen des Gesamtergebnisses (Externe Untersuchungskommission und Städtische
Kommission) ist dieses zur Beratung und Beschlussfassung über die weitere Vorgehensweise dem
Stadtrat erneut vorzulegen.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Günter Schülter gez. Oskar Lipp
Stadtrat Stadtrat
gez. Lukas Rehm gez. Ulrich Bannert
Fraktionsvorsitzender stellv. Fraktionsvorsitzender